Predigtgedanken zum „Weißen Sonntag“, (2. Sonntag der Osterzeit),
19. April 2020
Diakon Sylvester Resch, Pfarrverband Teisendorf
Wohl die allermeisten Zeitgenossen kennen, auch wenn sie nicht unbedingt fleißige Kirchgänger sind, das Evangelium vom 2. Ostersonntag.
Denn es ist darin von jenem Jesusjünger die Rede, der als Mann der Zweifel, ob nun zu Recht, das sei dahingestellt, förmlich sprichwörtlich geworden ist: „Der ungläubige Thomas“.
Zur Vorgeschichte: Am Abend des Ostertages tritt der auferstandene Jesus in die Mitte seiner Jünger, spricht ihnen Mut und Frieden zu und sendet sie hinaus in die Welt, um sein Evangelium zu verkünden.
Nur einer, eben der Apostel Thomas, fehlt bei dieser Zusammenkunft.
Und er weigert sich, den anderen zu glauben, dass Jesus tatsächlich lebt.
Es sei denn, er könne Jesus nicht nur sehen, sondern auch seine Wundmale berühren.
Eine Woche später geschieht es: Der Herr und Meister erscheint abermals und fordert den Thomas auf, seinen Finger in Jesu Seitenwunde zu legen.
Dieser stößt überwältigt hervor: „Mein Herr und mein Gott!“.
Jesus reagiert mit mildem, aber auch deutlichem Tadel: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben…“
„Den Finger in die Wunde legen“, - das ist seither eine bekannte Redensart.
Damit meinen wir, dass da einer ganz besonders genau hinschaut, prüft, untersucht und nachbohrt, dass jemand sich also, wie der Apostel Thomas, nicht einfach nur vom Hörensagen überzeugen lässt, sondern durchaus auch im wahrsten Sinne des Wortes „handgreiflich“ werden möchte, bevor er etwas glauben kann. Er muss erst hinlangen, damit er die Wahrheit wirklich begreifen kann…
Ich meine: es ist ja sicher nicht das Schlechteste, dass es solche Menschen gibt, die nachfragen, und die sich nicht mit der erstbesten Antwort zufrieden geben.
Jedenfalls gilt der Apostel Thomas bis zum heutigen Tag als ein Sinnbild des zweifelnden Menschen, vor allem eben, wenn´s um Glaubensfragen geht.
Gerade das macht ihn ja für gar nicht so wenige Menschen, auch für mich selber, irgendwie sympathisch.
Denn der gute Thomas steht mit seinen Zweifeln ja durchaus nicht alleine da.
Gerade die Coronakrise wirft wieder neu und aktuell die durch die Geschichte der Menschheit immer wieder gestellte Frage angesichts von Leid und Tod auf:
„Wo bleibt denn der ach so gute Gott in dieser elendigen Lage?!“
Von dem großen Theologen Romano Guardini, der viele Glaubensbücher geschrieben hat, sind uns seine letzten Worte auf dem Sterbebett überliefert. Er sagte: „Wenn ich vor Gottes Angesicht stehe, dann wird er mich wohl manches fragen. Aber auch ich habe einige Fragen an ihn. Ich hoffe, dass er mir dann die Antwort gibt, die ich in keinem Buch, auch nicht in der Heiligen Schrift, habe finden können.
Kein Dogma und kein kirchliches Lehramt konnten mir diese Antwort geben. Ich meine die Antwort auf die Frage: warum nur sind zum Heil des Menschen all diese fürchterlichen Umwege über das Leid und den Tod notwendig!“.
So dieser große Theologe kurz vor seinem Tod...
Sollten wir also gerade in diesen Krisenzeiten von Glaubenszweifeln geplagt werden, dann könnte es doch zumindest ein gewisser Trost sein, dass wir uns da durchaus in bester Gesellschaft befinden.
Die Geschichte des Thomas rückt ja auch unsere eigenen Zweifel mit ins Licht!
„Didymus“, so heisst Thomas im Griechischen, der „Zwilling“, und vielleicht ist er ja tatsächlich so was wie unser Zwillingsbruder, wenn wir in religiöse Vertrauenskrisen geraten.
Aber gerade dieses Evangelium will uns auch sagen: je schwerer sich einer tut mit seinem Glauben, desto liebevoller und intensiver geht Jesus ganz offensichtlich auf ihn zu…
Aber manchmal kann das dauern.
Der Thomas aus unserem Evangelium, der muss auch warten. Zwar nur acht Tage, aber immerhin...
Die anderen Apostel um ihn herum, die scheinen keine Schwierigkeiten zu haben. Sie glauben, sie sind begeistert. Aber all ihr Reden, all ihre Argumente und all ihr Drängen bewirken bei Thomas absolut nichts.
Glauben, wirklich mit jeder Faser glauben, das kann Thomas erst, als Jesus selber und von sich aus die Initiative ergreift, auf ihn zugeht und ihn anspricht. Da ist plötzlich alles kein Problem mehr, und der Apostel kann nur noch betroffen stammeln: „Mein Herr und mein Gott!“
Dieser Gott, daran versuchen Christinnen und Christen zu glauben, bahnt sich auf seine oft geheimnisvolle Weise den Weg zu unseren Herzen.
Manches Mal mag das, wie gesagt, dauern. Eine Woche, wie bei Thomas, ein Jahr, ein Jahrzehnt, und, mag sein, vielleicht ein ganzes Leben lang. Aber es wird geschehen.
Und nur zwei Voraussetzungen, so glaube ich, sind dafür von unserer Seite her notwendig: Dass wir zum einen offen bleiben für göttliche Überraschungen und für unverhoffte Wendungen, und dass wir andererseits gut auf unser Leben achten, damit wir die Anwesenheit Gottes darin nicht übersehen.
„Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“, so sagt der Auferstandene zu seinem Apostel Thomas.
Das heißt, auch für uns: wir sollten das grundsätzliche Vertrauen haben, dass Gott in seiner maßlosen Liebe auf jede und jeden von uns zukommt!
Wie und wann er das tut: Lassen wir das getrost seine Sorge sein!
Amen