Vergangene Woche mussten wir Abschied von unserem lebenslangen Gemeindemitglied Elisabeth Schmähl nehmen. Zum Andenken stellt ihr Sohn Bernhard uns die Erinnerungsrede für seine Mutter zur Verfügung:
Aus dem Leben unserer Mutter
„I hob a Schwesterl kriagt, I hob a Schwesterl kriagt”.... Hat der kleine
5jährige Eder Bertl geschrien und ist über die Wiese des Gregor- Sacherls
gelaufen, das die Familie Eder erst vor ein paar Jahren übernommen hat.
Gemeint hat er die kleine Elisabeth, die „Lisi“, wie sie zeitlebens genannt
worden ist. Es war ein schöner, kühler Herbsttag der 1. November,
Allerheiligen, 1929, und an dem Tag hat des kloane Eder Lieserl im gleichen
Haus das Licht der Welt erblickt, wie ein paar Jahrzehnte später wir
Geschwister.
Sie war die jüngste von den 3 leiblichen Kindern und mehreren
Pflegekindern, die unsere Großmutter geboren und aufgezogen hat.
Ihre Kindheit und Jugendzeit hat die „Eder Lisi“ wie sie noch viele Jahre
genannt worden ist, obwohl sie schon lang einen anderen Namen gehabt hat,
in der dunklen Zeit verbracht, die Deutschland unter Hitler erlebt hat.
Ihr Leben war von Kind an von der vielen Arbeit auf dem kleinen Gregorhof
geprägt. Für einen Knecht oder eine Dirn war s Sache zu klein und später
waren dann auch noch die Brüder im Krieg. So ist die Lisi bald zur Rechten
Hand vom Großvater geworden. De Schule war damals bei einem Dirndl
nicht so wichtig und so hat sie dort auch nicht allzu viel Zeit verbracht.
Sie hat oft selbst von Situationen erzählt, bei der Sie auf dem Krautacker
oder am Kartoffelfeld gearbeitet hat und der Großvater hat mit einem
Nachbarn gratscht und gesagt „mein Lieserl, de machts scho!“.
Die Sorge und Verantwortung für alles was sich um unser Anwesen und die
Landwirtschaftliche Arbeit dreht und der sich daraus ergebende bäuerliche
Lebensstil, ist in dieser Zeit zu Ihrer Identität geworden und hat sie ihr
Leben lang geprägt.
Sie war ein mutiges Mädchen die Eder Lisi. Es muss im März 1945 gewesen
sein. Die Amerikaner waren schon im Land, es war immer wieder mal
Fliegeralarm und Bomber und Tiefflieger waren über Freilassing unterwegs.
Es war die Zeit wo die Wiesen und Felder zu düngen waren und sie hat die
Kühe vor den Leiterwagen mit dem hölzernen Odelfass gespannt. Die
Großmutter hat sie bedrängt da zu bleiben, „des is vui zgfährlich Lisi, kant
a Diaffliaga kemma...“ „A geh, wos daden denn de von mia woin“ war ihre
Antwort und hat das Odelfass vollpumpt und ist rausgefahren.
Der Tiefflieger ist gekommen...Gott sei Dank einer, der offenbar seinen
Spass dran gehabt hat, wie beim Überfliegen des Gespanns die Kühe mit den
Schwänzen in der Höhe, mit dem hüpfenden Leiterwagen samt der Eder Lisi
hinten dran auf und davon sind.
Dann ist Ende April der große Bombenangriff auf Freilassing gekommen.
Den Schrecken dieses Ereignisses hat sie erst Jahre später realisiert.
Sie war eine mutige, pragmatische junge Frau die Eder Lisi....Ihr Focus war
in dieser Zeit, in der viele Menschen nichts mehr gehabt haben, entsprechend
ihrem sorgenden Naturell auf „Organisieren“ ausgerichtet, wie man damals
das sich Aneignen von herrenlosem Gut aus Militärbeständen genannt hat.
Eines Tages hat sie in einem gestrandeten Eisenbahnwaggon eine große
Hakenkreuzfahne gefunden. Vermutlich wollte sie keiner haben, weil bei der
Besatzungsmacht Nazisymbole im Haushalt ziemlichen Ärger bedeutet
haben. Sie hat sich denkt „Den weißen Kreis mit dem Hakenkreiz schneid i
raus aber der rote Stoff ist ja pfeniggut“. Ein Teil von dieser Fahne ist als
Umhang von unserem Nikolauskostüm noch immer in Familienbesitz.
Aber die beherzte Lisi ist auch ins strengbewachte, zerbombte
Heereszeugamt an den amerikanischen Posten vorbei geschlendert, die das
16jährige Bauernmädl gar nicht wahrgenommen haben. Sie hat sich einen
Handwagen mit Holzaufbau aus die Trümmer geschnappt, der no brauchbar
ausgschaut hat und ist ganz selbstverständlich an den Ami- Posten vorbei
damit heimgezogen. Dieser Wagen ist bis heute, wenn auch nicht mehr viel
original ist, bei uns auf dem Hof als sogenanntes „Gummiwagl“ im Einsatz
und untrennbar mit der Geschichte der mutigen Eder Lisi verbunden.
1950 ist unser Vater der Schmähl Adolf aus der 5jährigen russischen
Kriegsgefangenschaft heimgekommen und war bei seiner, aus Serbien
geflüchteten Familie in Salzburg untergebracht.
Dort hat ihn die Eder Lisi dann auch kennengelernt und sie sind sich schnell
einig geworden und haben im Februar 1951 geheiratet. Jetzt war sie die
Schmähl Lisi und im selben Jahr ist dann die Traudi unsere Schwester
geboren, die leider krankheitsbedingt heute nicht dabei sein kann.
3 Jahre später 1954 ist dann der Ernst zur Welt gekommen und nochmal 5
Jahre später 1959 dann ich als jüngster.
Wir Geschwister sind in mitten der vielen Arbeit auf unserem Hof
aufgewachsen und auch wenn es nicht viel übrige Zeit gegeben hat, kann ich
für meinen Teil sagen, ich hab mich nie vernachlässigt gefühlt. Abends hat
sich unsere Mutter immer Zeit genommen uns Märchen aus Büchern
vorzulesen, aus denen sie schon als Kind vorgelesen kriagt hat und war
immer bemüht uns ein geborgenes Daheim zu geben.
Man kann drüber diskutieren, ob es richtig ist seinen Kindern die
Geschichten vom Nikolaus, Osterhase und Christkindl zu erzählen. Ich für
meine Person möchte die Erinnerungen an diese Feste nicht missen. Unsere
Mutter hat diese Feste für uns Kinder mit einer Kreativität, Liebe und
Hingabe gestaltet, dass mir erst mit 10 Jahren aufgefallen ist, dass sie immer,
wenn der Nikolaus gekommen ist, ein dringendes Geschäft im Stall zu
erledigen gehabt hat. In Wahrheit ist sie selbst im Nikolauskostüm gesteckt.
In den Jahren in denen wir Kinder erwachsen geworden sind und Familien
gegründet haben, hat ihr sorgendes Naturell im Bedürfnis für alle Kinder,
Schwiegerkinder und später die 11 Enkel zu sorgen und alles im Blick zu
haben eine neue Ebene bekommen in der sie voll aufgegangen ist.
Ihrem bäuerlichen Naturell ist sie dabei lebenslang treu geblieben und der
höchste verbale Orden den sie zu vergeben gehabt hat war, wenn sie über
jemand gesagt hat: „Der kreit a ollahand ummanand“.
Ein großer Einschnitt war für sie und für uns alle natürlich der Tod unseres
Vaters 1998.
Ihre letzten Lebensjahre in der stationären Pflege hätten wir ihr sehr gerne
erspart, wenn es eine Möglichkeit dazu gegeben hätte.
Die wichtigste Grundlage ihres Lebens war aber ihre Beziehung zu ihrem
himmlischen Vater und die Gewissheit, dass sie durch den Tod am Kreuz,
den Jesus für alle Menschen erlitten hat von ihrer Schuld erlöst ist und die
Ewigkeit bei ihm verbringen wird.
Weil wir in unserer Familie diese Gewissheit alle mit ihr teilen, geben wir sie
trotz aller Trauer gerne in die Hände dieses treuen liebenden Gottes ab.
Das Lied, das wir jetzt hören, hab ich unserer Mutter die letzten Jahre oft
mit der Gitarre vorgesungen, wenn ich bei Ihr war, es handelt vom
Almabtrieb und es verkörpert für mich zum einen ihre starke Verbundenheit
zum bäuerlichen Leben in jeder Form und zum Anderen den Gedanken vom
wehmütigen Abschied aber dann auch von der freudigen Ankunft am Ziel.